Wenn ich zurückblicke auf die letzten Jahre als Business Coach, so hatte jede Führungskraft, mit der ich gearbeitet habe, ganz spezifische Fragestellungen. Diese ergaben sich immer aus dem individuellen Kontext. Bei der Bearbeitung und Reflexion der Themen haben sich allerdings 7 relevante Business Coaching Themen ergeben, die immer wieder zu großen „Aha-Momenten“ und wichtigen Erkenntnissen geführt haben, wenn ich diese Themen in Bezug gesetzt habe zu den Fragestellungen und Herausforderungen meiner Coachees.
Zwei wichtige Ebenen der Reflexion
Im Grunde sind es zwei wichtige Ebenen der Reflexion: Zum einen die Betrachtungsebene der Interaktion mit anderen, also das Zusammenspiel in der Kommunikation und der eigenen Reaktionsweise. Zum anderen ist es die Ebene unbewußter und reflexartiger Reaktionsmuster, welche sich durch Erziehung in Familie und Schule eingeschlichen haben in das eigene Verhaltensrepertoire.
Auf beide Phänomene gehe ich nun näher ein und zeige auf, wie es sich sich auf das Führungsverhalten auswirken kann.
I. Die Ebene der Kommunikation & Interaktion
1. Ich als Führungskraft in der Täter-Rolle
Hier reflektiert die Führungskraft, in welchen Situationen sie als „Täter“ agiert. Das bedeutet, Dinge einzufordern, Grenzen zu setzen, Kritik zu formulieren und auch mal das Gegenteilige Verhalten eines „Mister Niceguy“ oder einer „Mrs NiceLady“ zu zeigen.
2. Ich als Führungskraft in der Opfer-Rolle
Hier reflektiert die Führungskraft, wie weit der eigenen Handlungs- und Entscheidungskompetenz Grenzen gesetzt werden. Dabei spielt eine wichtige Rolle, ob das Gefühl von „Opfer sein“ mit den tatsächlichen Fakten in Einklang zu bringen ist. In vielen Fällen finde ich hier zusammen mit dem Coachee alte Glaubenssätze, die es wert sind, auf den Prüfstand gesetzt zu werden.
3. Ich als Führungskraft in der Retter-Rolle
Hier reflektiert die Führungskraft, wie stark das eigene Verständnis über das eigene Maß an Verantwortung ausgeprägt ist. Hier finde ich sehr häufig die Denkweise „na klar, dafür habe ich doch den Hut auf – ist doch schließlich meine Abteilung, für die ich da verantwortlich bin“. Übersetzt heisst das für mich, wenn hier ein zu starkes „Retter-Bedürfnis“ zu finden ist, beinhaltet es oft auch ein Risiko für Überforderung und eine latente Tendenz zum „burn-out“. Gleichzeitig polstert eine solche Haltung die Komfortzone der Mitarbeiter in der Abteilung.
4. Ich im subtilen Spannungsfeld des „Drama-Dreiecks“
Nachdem diese drei Positionen reflektiert wurden, bringe ich sie in einen subtilen Zusammenhang. Denn dort, wo „Opfer-Täter“ oder „Opfer-Retter“ Dynamiken gelebt werden, beginnen die „Drama-Spiele“. Die größten Erkenntnisse erziele ich immer wieder an genau diesem Punkt, wo die Führungskraft ihre Interaktionen mit Mitarbeitern, Kollegen, Kunden oder auch dem eigenen Vorgesetzten reflektiert. Das stärkste „Aha-Moment“ ist dabei die Bewusstmachung, wie subtil oft Mitarbeiter sich in die Opfer-Rolle begeben, dann zum Vorgesetzten kommen, um das Leid zu klagen und dann fast reflexhaft die Retter-Rolle aktiviert wird. Und was ist dann die Konsequenz? Die Führungskraft hat das Thema auf dem eigenen Tablett, kümmert sich darum und der Mitarbeiter geht fröhlich und nach Plan in den Feierabend. Die Erkenntnis, oft unbewußt in der Retter-Rolle zu sein, ist aber nur der erste Schritt zur Lösung! Entscheidet ist, das „Drama-Spiel“ zu beenden. Und wie? Eigentlich ganz einfach. Indem ich den Mitarbeiter von der Opfer-Haltung in die Eigenverantwortung schicke! Konkret bedeutet das, statt sich des Problems sofort selbst anzunehmen, frage ich den Mitarbeiter, welche Ideen zur Lösung er oder sie denn hat. Und schon hört das Drama-Spiel auf. Und falls der Mitarbeiter auf diese „Musterunterbrechung“ irritiert reagiert, darf ich als Führungskraft ganz entspannt sagen „Lassen Sie uns morgen um 10h noch mal dazu reden – ich bin sicher, bis dahin haben Sie einige Ideen zur Lösung für mich“.
Erkennen von Drama-Spielchen in Meetings und Besprechungen
Manche Coachees berichten mir, daß Sie danach des öfteren einfach mal innehalten in Meetings oder Besprechungen, um aus der Zuschauerperspektive zu erfassen, ob gerade wieder „Drama-Spielchen“ laufen. Und diese bewusste Wahrnehmung hilft Ihnen dann, gezielter und effizienter mit solchen Situationen umzugehen. Zugegeben, manche Führungskraft muss sich vorher erst mal ein-gestehen, daß das eigene „Retter- und Helfer-Syndrom stärker ausgeprägt ist als angenommen. Hier hat es sich dann bewährt, gemeinsam überholte Glaubens-sätze und alte Erfahrungen anzuschauen.
Der „Club der Opfer“ ist ganztägig geöffnet
Soweit das kommunikative Zusammenspiel mit anderen Menschen in den verschiedenen „Drama-Varianten.“ Wo Sie solche Spielchen finden? Nichts einfach als das! Stellen Sie sich mal in einer Gastwirtschaft an die Theke und reden Sie über Politiker, was nichts anderes als ein „Opfer-Täter-Dramaspiel“ ist. Sie werden entdecken, daß Sie sehr schnell „Freunde“ finden – den der „Club der Opfer“ ist groß und heisst jeden, der mitspielen will, herzlich willkommen. Politik ist zu heikel? Dann nehmen Sie das Wetter – egal, ob zu heiss, zu kalt, zu trocken oder zu nass – begeben Sie sich in die Opfer-Rolle und beschimpfen Sie das Wetter als „Täter“ – die Aufnahme in den „Club der Opfer“ ist Ihnen sicher.
Wichtiges Tool im „Baukasten des Führungsbewusstseins“
Aber warum wählen Menschen so oft „Drama-Spiele?“ Weil dabei jedesmal Emotionen entstehen! Und wer fühlt, ist lebendig. Das Problem dabei ist nur: es ist nicht zielführend und nicht effizient! Und daher ist es so hilfreich, Wissen über die Dynamiken im „Drama-Dreieck“ zu haben – das ist ein wichtiges Tool im „Baukasten des Führungsbewusstseins“ meiner Klienten.
II. Die Ebene unbewusster Kommunikations-Reflexe
Kommen wir nun zur zweiten Ebene, die ich zu Beginn kurz angedeutet habe. Es ist die Ebene der unbewussten Kommunikationsmuster, die uns oft reflexartig reagieren lassen. Das sind solche Situationen, wo wir uns erst im nachhinein fragen, warum wir uns zu dieser Reaktion haben verleiten lassen. Das Wissen über diese unbewussten Reflexe hilft dabei, die eigene Souveränität zu bewahren und sich nicht „über den Tisch ziehen zu lassen.“ Dabei ist der erste Schritt in Richtung Lösung, sich zunächst einmal bewusst zu machen, wann und wo wir welchen dieser drei Reflexe leben – und welcher Reflex am stärksten ausgeprägt ist. Erst dann kommt der Moment, wo wir klar entscheiden, nicht mehr diesem Reflex zu folgen. Das ist der Zeitpunkt, wo wir das „Gegengift“ einsetzen, von dem ich gleich zu jedem dieser 3 Reflexe berichten werde.
5. Der Rechtfertigungs-Reflex
Kennen Sie das? Jemand spricht Sie auf ein bestimmtes Thema an, mit leicht vorwurfsvollem Ton – und Sie reagieren mit einer Rechtfertigung oder Entschuldigung – und kurz danach fragen Sie sich, warum Sie sich zu dieser Reaktion haben verleiten lassen? Willkommen im Reflex-Modus!
Sie wollen lieber ein konkretes Beispiel aus meiner Coaching-Praxis? Gerne. Ein Klient von mir wurde von seinem Chef gefragt, was er denn da für einen Anzug tragen würde – und der Ton, in dem die Frage gestellt wurde, ließ darauf schließen, dass dem Chef dieser Anzug offensichtlich nicht gefiel. (Doch zu dieser klaren Kommunikation war der Chef gerade nicht fähig. Anmerkung: Wir fanden später noch heraus, daß diese subtile Art, Rechtfertigungen aus den Mitarbeitern herauszukitzeln, eine beliebte Masche dieses Chefs war).
Was denken Sie, war die reflexhafte Sofort-Antwort meines Klienten? Eine in Richtung „Entschuldigung“ gehende Rechtfertigung wie „Ich weiß, ich müsste mir mal wieder die Zeit nehmen, um an einem freien Samstag nach einem neuen Anzug zu schauen“.
Und hier kommt das angekündigte „Gegengift“ zum Rechtfertigungsreflex: statt auf die Frage zu antworten, werfen Sie den Ball spielerisch zurück und stellen folgende, freundlich formulierte Gegenfrage „Was ist die Frage hinter Ihrer Frage?“ … und dann geniessen Sie den Moment, wo Sie aus dem Reflex aussteigen!
Meine ganz persönliche Erfahrung mit diesem Reflex
Meine stärkste, persönliche Erfahrung mit meinem (damals noch unbewussten) Rechtfertigungsreflex war eine Bewerbungssituation vor über 25 Jahren. Nach zwei sehr angenehmen Gesprächen stand ein letztes Gespräch an, an dem auch ein weiteres Mitglied der Geschäftsleitung teilnahm, welches ich vorher noch nicht getroffen hatte. Damals hatte ich noch nicht das Wissen, daß manche Kandidaten in Bewerbungssettings mit einer provokativen Frage auf ihre Schlagfertigkeit getestet werden. Daher erwischte mich die Bemerkung kalt, als dieser Mann sich leicht über meinen Lebenslauf, der vor ihm lag, beugte, und mir die harmlos klingende Bemerkung entgegensäuselte „Wenn ich mir so Ihr Alter anschaue (Anmerkung: ich war damals 30 Jahre alt), andere sind da schon im Vorstand“. Mit meinem heutigen Wissen hätte ich geantwortet: „Sorry, was ist die Frage hinter Ihrer Frage? Ich habe Ihre Botschaft nicht ganz verstanden“. Und möglichweise hätte er sich dann entspannt zurückgelehnt und mir geantwortet „Ich wollte nur mal testen, wie stark Ihr Rechtfertigungsreflex ist“.
Aus den Rückmeldungen meiner Klienten darf ich Ihnen verraten, daß dieser Reflex einer der häufigsten unbewussten Reaktionsmuster ist, in denen sich viele wiedererkennen. Doch das Schöne daran ist: Gefahr erkannt, Gefahr gebannt.
6. Der Antwort-Reflex
Viele Führungskräfte sind Macher – und auf eine Aussage nicht zu antworten, ist in ihrem Selbstverständnis oft nicht akzeptabel. Doch es gibt Situationen, in denen es taktisch sinnvoller sein kann, mein Gegenüber erst mal „kommen zu lassen“, statt sofort „Position zu beziehen“.
Dazu schilderte mir ein Klient folgendes, passende Beispiel: Ein Mitarbeiter kam zu ihm und beklagte sich über die Arbeitsbelastungen. In dem zusammen fiel der Satz „und zu dem erweiterten Aufgabenbereich kann ich nur sagen, ist die Bezahlung nicht mehr passend“. Im Antwort-Reflex positionierte sich die Führungskraft gleich damit, wie dazu die Policy im Unternehmen aussieht und dass es da keine Handhabung gäbe“. Dass Gespräch verlief dann im weiteren nicht sehr zufriedenstellend.
Zwei Wege, aus dem Antwort-Reflex auszusteigen
Das „Gegengift“ zum Antwort-Reflex ist auf zwei verschiedene Arten anwendbar: entweder ich nutze das „psychologische Grunzen“, mit „aha“ oder „okay“, einer unverbindlichen Rückmeldung, daß ich gehört habe, was mein Gegenüber gesagt hat – wo ich mich aber noch offen und neutral halte, ohne sofort Stellung zu beziehen. Oder ich signalisiere über Blickkontakt, daß ich mit meinem Gegenüber in Verbindung bin und wiederhole lediglich „aha, nicht mehr passend“, um dadurch mein Gegenüber zu motivieren, noch mehr Details und Argumente für seine Sichtweise zu geben. Entscheidend ist, sich die Freiheit zu bewahren, nicht gleich die eigene Position einzunehmen und unüberlegt zu reagieren.
Warum fällt es oft schwer, nicht gleich zu antworten? Weil wir es über viele Jahre in der Schule gelernt haben! Wenn Lehrer eine Frage stellen, kommt es garnicht gut, keine Antwort parat zu haben. Im Business Kontext kann es jedoch so manchen Vorteil zu Gunsten der eigenen Souveränität haben, den Antwort-Reflex steuern zu können.
7. Sich-verantwortlich-Fühlen-Reflex
Dieser Reflex ist ganz oft damit verbunden, wie stark sich eine Führungskraft in der „Retter-Rolle“ sieht. Je höher das Maß der Verantwortlichkeit, desto mehr Themen hat eine Führungskraft auf der eigene To-do-Liste. Daher empfehle ich in solchen Fällen immer, sehr zeitnah das „Gegengift“ einzusetzen. Und das besteht in der Klärung von drei einfachen Fragen: Was ist meine Aufgabe? Was ist Deine Aufgabe? Und was muß ich an eine „höhere Macht“ abgeben, da ich darauf keinen Einfluß habe. Oder um es in der englischen Variante noch knapper auf den Punkt zu bringen: die Klärung der drei Aspekte „my business, your business, God’s business“. Aus der Beantwortung dieser drei Fragen entsteht dann eine Klarheit, mit der Führungskräfte deutlich selbstbestimmter agieren können – sowohl mit Mitarbeitern, als auch mit Vorgesetzten – und natürlich auch mit Kunden.
Fazit
Abschließend darf ich Ihnen noch mitgeben, daß diese 7 Themen im Business Coaching bisher bei jeder Führungskraft, mit der ich gearbeitet habe, nicht nur wichtige „Aha-Momente“ ausgelöst haben – sondern darüber hinaus auch eine entscheidende Hebelwirkung hatten im Hinblick auf mehr Klarheit, mehr Stehvermögen und mehr Souveränität im Business. Lediglich die Gewichtung dieser 7 Punkte fiel je nach Setting unterschiedlich aus.
Was ist für Sie der wichtigste dieser 7 Themen? Und wo wollen Sie den Hebel in den nächsten Tagen ansetzen? Lassen Sie es mich gerne wissen. Ich biete Führungskräfte Coaching in München und online an.